Naturnah ist eine Trockenmauer dann, wenn sie einer möglichst großen Vielzahl einheimischer Pflanzen und Tieren Lebensraum bietet.
Eine Trockenmauer ist ein Extremstandort, ein Ersatzbiotop, der eine Felsformation nachahmt. In unserer Heimat finden wir ihn natürlicherweise an Abbruchkanten des Teutoburger Waldes und des Schafberges. Die Trockenmauer bietet Pflanzen und Tieren besonders warme, trockene Lebensbedingungen, da die Steine Wärme speichern. In schattigen Fußbereichen liegt der Wert der Mauer im gleichmäßig dauerfeuchten Kleinklima. Von Natur aus ist der Standort sehr nährstoffarm. Die Trockenmauer entwickelt sich sehr langsam und wird -sich selbst überlassen- im Laufe der Jahre immer interessanter und vielfältiger. Es siedeln sich Flechten, Algen, Moose, Farne und höhere Pflanzen der Umgebung an. Diese Entwicklung darf nicht durch „Pflege“ beeinträchtigt werden – eine gepflegte Trockenmauer ist eine tote Trockenmauer.
Zum Bau der Mauer sollte hiesiges Steinmaterial genommen werden, also am besten Sandsteinbrocken aus dem nächsten Steinbruch. Ob sie senkrecht aufgesetzt ist oder treppenförmig, ist der sie besiedelnden Natur gleichgültig. Als Füllschüttung hinter den Steinen wird nährstoffarmer, sandig-toniger Rohboden auch mit Steinen gemischt (keinesfalls Blumenerde) genommen, die Fugen bleiben teils offen, teils werden sie mit Lehm verschmiert. Wichtig ist, was man nicht sieht: Hohlräume und Lücken hinter und zwischen den Steinen. Hier siedeln sich Kleinsäuger (z.B. Spitzmäuse), Lurche (Kröten, Molche), Kriechtiere (Blindschleiche, sehr selten Eidechsen), Insekten (z.B. Laufkäfer, Hummeln, Grabwespen, Pelzbienen), Asseln, Spinnen, Tausendfüßler, Schnecken und Würmer an.
Eine ganz andere Pflanzenwelt wird auf einer Trockenmauer aus Kalkgestein wachsen.
Die Sonderform der Trockenmauer ist die Kräuterspirale. Ein schmales Beet windet sich in einer Spirale von einem feuchten, tiefer gelegenen Fundament immer trockener werdend bis zur Spitze hoch. Auf ihren Stufen werden verschiedenste Küchenkräuter je nach ihrem Bedarf an Feuchtigkeit und Wärme angepflanzt. Ansonsten gelten die selben Bauprinzipien wie bei der Trockenmauer.
Seidl / Juli 2000