Ist der Herbst gekommen, berichten mit schöner Regelmäßigkeit tierliebe Bürger stolz von ihren fachkundigen und erfolgreichen Aktionen, gefährdete Igel in ihrer Obhut überwintern zu lassen. Zugegeben, auch wir Naturschützer haben vor Jahrzehnten solche Vorhaben unterstützt und selbst durchgeführt.
Zum einen handelt es sich bei den im Spätherbst aufgefundenen untergewichtigen Tiere um Igeljunge, die zu spät im Jahr geboren wurden. Ohne menschliche Hilfe haben diese Tiere zweifellos keine Chance, den Winter zu überleben. Grund für diese verfehlte Paarungs- und Wurfzeit ist ein genetischer Defekt der Igelmutter, der durch den Wintertod der Jungtiere nicht weiterverbreitet wird. Wer diesen lebensuntüchtigen Igeln über den Winter hilft, sorgt dafür, dass diese „Fehlprogrammierung“ der Tiere im kommenden Jahr weiterverbreitet wird und befördert damit das Leid der nützlichen Stacheltiere. Andere schwache Herbstigel sind krank, von zahlreichen inneren und äußeren Parasiten befallen. Kranken Tieren in der freien Natur zu helfen, wäre eine unendliche Aufgabe; in allen Tierarten von der Kohlmeise bis zum Reh grassieren zahlreiche Krankheiten. Welchen Sinn sollte es machen, da zu helfen. So hart es zu sein scheint: diese Kreaturen gehören zum natürlichen Nahrungsspektrum anderer Lebewesen. So ist der Igel bei uns wesentlicher Bestandteil der Beute des inzwischen wieder einheimischen Uhus, der vor allem schwache, alte und kranke Tiere schlägt und sie für die Aufzucht seiner Küken benötigt.
Wer dem Igel wirklich helfen will, verzichtet konsequent auf alle Chemikalien im Garten zur Unkraut- und Schädlingsbekämpfung, belässt Ecken naturnah mit dichtem Wildkraut und schafft mit Totholz-, Laub- und Steinhaufen Unterschlupfmöglichkeiten.
Bei aller Würdigung der von den Naturschutzverbänden hoch anerkannten Leistungen der Tierschutzvereine muss aber klar gesagt werden, dass von menschlichem Mitleid bestimmte Eingriffe in die normalen Abläufe der freien Natur ökologischer Unfug sind und in der Tierwelt in letzter Konsequenz mehr Schaden anrichten als Nutzen.
Rainer Seidl