ANTL kümmert sich um Erhalt, Pflege und Schutz von Streuobst
Der „Streuobstanbau“ ist „Immaterielles Kulturerbe“ der UNESCO. Dies entschied in der vergangenen Woche die Kulturministerkonferenz zur Freude des Naturschutzes und der Heimatvereine, denn der Streuobstanbau in Deutschland stellt Jahrhunderte altes Wissen und Können dar, das über die Generationen hinweg weitervermittelt wird. Streuobstbestände, ob als Streuobstwiese, als Obstbaumallee oder als Einzelhochstamm, waren und sind prägende Elemente in der Landschaft und sind wichtig für die biologische Vielfalt.
Mit dieser Entscheidung wird auch den Menschen, die sich seit vielen Jahren für Erhalt, Pflege und Neuanlage von Streuobstbeständen einsetzen, um dieses alte Kulturgut, die alten Sorten und diese reichhaltigen Lebensräume zu retten, Ehre zuteil.
Unzählige Pflanzen und Tiere leben auf den Streuobstwiesen, besonders wertvoll für die Biodiversität sind die sehr alten Obstbäume auf extensiv genutztem Grünland. Wegen ihrer hohen Wertigkeit für den Naturschutz wurden Streuobstwiesen als gesetzlich geschützte Biotope in das Landesnaturschutzgesetz NRW aufgenommen. Dieser gesetzliche Schutz tritt allerdings erst in Kraft, wenn die Gesamtfläche dieser Streuobstbestände in NRW um mindestens 5 Prozent abgenommen hat und setzt somit voraus, dass auch alle Streuobstwiesen gemäß der Definition des Gesetzes erfasst werden, um ggf. die Verluste dieses Biotoptyps feststellen zu können. Den Streuobstanbau als schützenswertes Kulturerbe der UNESCO einzustufen hilft, die Schutzwürdigkeit dieses bedeutsamen Biotops zu untermauern und den Druck für die Umsetzung des Streuobstwiesenschutzes nach dem Landesnaturschutzgesetz NRW zu erhöhen.
Seit 300 Jahren prägen Streuobstwiesen auch unsere Landschaft. Unsere Vorfahren wussten genau, welcher Apfel wann reift und wie sich welche Sorte für die Lagerung eignet. Nahrungsmittel waren oft knapp für Mensch und Tier und darum wusste man das Obst zu schätzen. Obstbäume säumten allerorten die Straßen, in den Gärten und in den Grüngürteln rund um die Ortschaften pflanzte man Obstbäume statt Exoten und die Bauern pflegten ihre Streuobstwiesen für die Eigenversorgung, die Konservierung und für den Verkauf in der Stadt. Die hofnahen Streuobstwiesen mit ihren Hochstämmen wurden in der Regel durch Milchkühe beweidet, so dass eine Doppelnutzung der Fläche möglich war. Doch dann kam alles anders. Mit der Anlage von rentablen Obstplantagen, dem Import von ausländischem Obst und seitdem die Bevölkerung ihren Einkauf im Supermarkt tätigt, verloren die Streuobstwiesen ihre Wirtschaftlichkeit. Viele Obstbäume wurden nicht mehr gepflegt oder gerodet, staatliche Rodungsprämien dezimierten die Streuobstbestände in den 1970er Jahren erheblich. Neuanpflanzungen gab es über mehrere Jahrzehnte nicht mehr, so dass wir heute nur sehr alte Obstbaumbestände oder jüngere Anpflanzungen haben. Baumgenerationen dazwischen fehlen. Dieser dramatische Rückgang der Streuobstbestände zwingt zum Handeln. Seit einigen Jahren werden im Rahmen von Kompensationsverpflichtungen wieder Streuobstwiesen angelegt, allerdings wurde anfangs oft die notwendige Pflege vernachlässigt. Es reicht nicht einen Obstbaum zu pflanzen, auch das Anwachsen, das Freihalten der Baumscheibe in der Anfangsentwicklung und ein Erziehungsschnitt sind erforderlich. Kommt der Baum in den Ertrag, sollte auch für das gute Obst eine Verwertung möglich sein.
Die ANTL hat sich schon früh in ihrer Vereinsgeschichte der Streuobstwiesen angenommen. Auf der „Fliehburg“ in Brochterbeck wurde vor ca. 30 Jahren eine Streuobstwiese angelegt mit vielen alten Sorten des Tecklenburger Landes. Mit dem LEADER-Projekt „Obstarche“ konnten weitere alte Lokalsorten entdeckt und wieder vermehrt werden, als allerletzter Rettungsanker sozusagen. Mit Kursen zum Obstbaumschnitt, Tipps rund um den Obstbaum und Apfeltagen wird versucht, Menschen für den Obstanbau und die Sortenvielfalt zu begeistern. Und mit dem Apfelsaftprojekt der ANTL werden im Herbst tonnenweise Äpfel gesammelt und Äpfel von Streuobstwiesen aufgekauft, so dass das Obst eine gute Verwendung findet.
Zurzeit blühen auch im Tecklenburger Land die Obstbäume und schmücken die Landschaft. Bienen sorgen für eine gute Bestäubung, Specht und Siebenschläfer haben in den Höhlen der Baumveteranen ihre Wohnung und im Gras unter den Hochstämmen tummeln sich viele Insekten und Kleinsäuger, die wiederum dem Steinkauz zusagen. Im Herbst die Sortenvielfalt beim Obst schmecken ist für uns Menschen dann das kulinarisches „Kultur“-Erlebnis.
Text: Irmgard Heicks